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Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz verfassungswidrig ?

09. November 2012

Der BFH ist der Ansicht, dass die im Erbschaftsteuergesetz vorgesehenen Begünstigungen für Betriebsvermögen verfassungswidrig sind. Das Gericht hat daher ein diesbezügliches Streitverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt (BFH, Beschluss v. 27.9.2012 – II R 9/11; veröffentlicht am 10.10.2012).

Die Vorlage an das BVerfG war zu erwarten, nachdem der BFH im Streitfall bereits das Bundesfinanzministerium zum Verfahrensbeitritt aufgefordert hatte. Eigentlich hatte der Kläger nur beanstandet, dass er in der Steuerklasse II demselben Steuersatz unterliegt wie in der Steuerklasse III. Insoweit hat der BFH keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der BFH hat den Fall jedoch genutzt, die gesamte Steuerverschonung für Betriebsvermögen auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand zu heben.

Im Einzelnen stützt der BFH seine Vorlage auf folgende Gesichtspunkte:

1. Die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften oder Anteilen daran (§ 19 Abs. 1 ErbStG i.V. mit §§ 13a und 13b ErbStG) stelle eine nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigte und damit verfassungswidrige Überprivilegierung dar.

Der Begünstigungsgrund „Arbeitsplatzerhalt“ erweise sich als nicht tragfähig, weil weit mehr als 90% aller Betriebe nicht mehr als 20 Beschäftigte hätten und schon deshalb nicht unter die „Arbeitsplatzklausel“ fielen.

2. §§ 13a und 13b ErbStG wiesen ferner einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang auf. Sie ermöglichten es Steuerpflichtigen, durch rechtliche Gestaltungen nicht betriebsnotwendiges Vermögen, das den Begünstigungszweck nicht erfülle, in unbegrenzter Höhe ohne oder mit nur geringer Steuerbelastung zu erwerben.

3. Die zusätzlich zu den Freibeträgen des § 16 ErbStG anwendbaren Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG zusammen mit zahlreichen anderen Verschonungen führten dazu, dass die Steuerbefreiung die Regel und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme sei.

Die Verfassungsverstöße führten – so der BFH – teils für sich allein, teils in ihrer Kumulation zu einer durchgehenden, das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung, durch die diejenigen Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen könnten, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt würden.

Soweit die Finanzverwaltung Steuerfestsetzungen im Hinblick auf die Vorlage nicht für vorläufig erklärt, ist es für Betroffene (d.h. für nicht durch §§ 13a und 13b ErbStG Begünstigte) ratsam, ihre Steuerfestsetzung offenzuhalten.

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